Pastorat - Ausgabe Nr.12

25 Pastorat 12.2017 „Das ist so. Nur wenn jemand einmal nach Weihnachten einen Engel zurückbehält, nicht aus Versehen oder weil er sich nichts dabei gedacht hat, sondern wegen der Weihnachts- freude, wie bei dir, dann können wir reden. Aber es kommt ziemlich selten vor. Übrigens heiße ich Heinrich.“ Heinrich? Bist du denn ein Junge? Du hast doch ein Kleid an!“ Heinrich trägt nämlich ein langes, rotes Gewand. Das ist eine reine Mode- frage. Hast du schon einmal einen Engel in Hosen gesehen? Na also.“ Seitdem steht Heinrich auf meinem Schreib- tisch. In seinen Händen trägt er einen golde- nen Papierkorb, oder vielmehr: Einen Müllkorb. Ich dachte erst, es sei nur ein Kerzenhalter, aber da hatte ich mich geirrt, wie ihr gleich sehen werdet. Heinrich stand gewöhnlich still an sei- nem Platz, hinter der rechten hinteren Ecke meiner grünen Schreibunterlage und direkt vor ein paar Büchern, zwei Bibeln, einem Gesang- buch und einem Bändchen mit Gebeten. Und wenn ich mich über irgendetwas ärgere, hält er bei mir seinen Müllkorb hin und sagt: „Wirf rein!“ Ich werfe meinen Ärger hinein – und weg ist er! Manchmal ist es ein kleiner Ärger. Es kann aber auch ein großer Ärger sein oder eine große Not oder ein großer Schmerz, mit dem ich nicht fertig werde. Wie soll man da helfen! Wie soll man da trösten! Ich wusste es nicht. „Wirf rein!“ sagte Heinrich, und ich warf mei- nen Kummer in seinen Müllkorb. Eines Tages fiel mir auf, dass Heinrichs Müll- korb immer leer war. „Wohin bringst Du das alles?“ „In die Krippe“, sagte er. „Ist den so viel Platz in der kleinen Krippe?“ Heinrich lachte. „Pass auf! In der Krippe liegt ein Kind, das ist noch kleiner als die Krippe. Und sein Herz ist noch viel, viel kleiner.“ Er nahm seinen Kerzenhalter unter den linken Arm und zeigte mit Daumen und Zeige- finger der rechten Hand, wie klein. „Denn deinen Kummer lege ich in Wahrheit gar nicht in die Krippe, sondern in das Herz dieses Kindes. Verstehst du das?“ Ich dachte lange nach. „Das ist schwer zu verstehen. Und trotzdem freue ich mich. Ko- misch, was?“Heinrich runzelte die Stirn. „Das ist gar nicht komisch, sondern die Weihnachts- freude, verstanden?“ Auf einmal wollte ich Heinrich noch vieles fragen, aber er legte den Finger auf den Mund. „PSST!“ SAGTE ER. „NICHT REDEN! NUR SICH FREUEN!“ FREUDE UND UNTERHALTUNG

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