Pastorat - Ausgabe Nr.09

9 Pastorat 09.2016 Hinter hohen Einfassungsmauern zurückgesetzt, bis an die Kante des Erfthanges heranreichend, liegt das alte Pasto- ratsgebäude aus dem Jahr 1653, angebaut an das klassizis- tische Pfarrhaus des 19. Jahrhunderts. Begibt man sich auf die gegenüberliegende Straßenseite, entdeckt man den auffällig geschweiften und gestaffelten Ziegelgiebel, der das Dach des Pastoratsgebäudes nach Südwesten abschließt und an holländische Architektur des Goldenen Zeitalters erinnert. Einst war das barocke Wohnhaus der Pfarrer als regelmäßiges, symmetrisch gestaltetes Wohnhaus freiste- hender Mittelpunkt einer vierseitig geschlossenen Hofanlage. Erzwungene Ökumene ZUKUNFT BRAUCHT HERKUNFT Seine für die Zeit von 1653 moderne Architekturaussage im holländischen Stil, unterstreicht einmal mehr als gebau- tempolitischen Standpunkt den Neubeginn nach denWirren des 30-Jährigen-Krieges. Und welchen Kompromiss mussten protestantische und katholische Religionsgemeinschaft erst einmal eingehen? Für die Mitbenutzung des katholischen Kirchengebäudes verlangte der Landesherr die gemeinsame Wohnung des katholischen Geistlichen mit seinem reformierten Kollegen und seiner Familie unter dem Dach des neuen Pastorats. Erzwungene Ökomene als Ultima Ratio oder tatsächlich der Wille zum Neubeginn? Wer weiß dies, lange ging diese Abmachung nicht gut. Im Pfarrhaus selbst ist auffällig, dass die Decken der ein- zelnen Räume unterschiedlich gestaltet sind. So wechseln traditionell gestaltete „Kölner Decken“ mit schlichten glatten „Plafonddecken“ und umlaufenden Stuckgesimsen. Ist dies ein Indiz für die Zuordnung der Räume zur jeweiligen Konfession? Nur ein Beispiel der vielen Details und Zeugnisse, die dieses sehr besondere Haus, trotz seines langen ruinösen Zustandes immer noch bereithält. Dass die Katholische Kirchengemeinde St. Martinus Weve- linghoven sich entschieden hat, dieses Haus, das ich als Geschenk der Geschichte bezeichnen möchte, als Teil des neuen Pfarrzentrums zu erhalten und zu revitalisieren, ist unschätzbar. Und vielleicht auch gerade vor dem Hinter- grund des anstehenden Lutherjahres, in dem viel über den Zustand der beiden christlichen Kirchen nachgedacht werden wird, ist diese offene Einrichtung ein wichtiges Zeichen des Neubeginns in der Gemeinde. Klaus Knevels Dipl.- Ing. Architekt

RkJQdWJsaXNoZXIy NjE5Njc=