Pastorat - Ausgabe Nr.09
24 Pastorat 09.2016 ERINNERUNG AN MARLIES WASSERMANN „Platt kalle häld de Seel jesonk“ Von Julia Nakötter „Dat Jeisterhüsje“ wurde von Marlies Wassermann in Mundart verfasst. Ihre Vorfahren schmiedeten einst das Eisen an der Erft, sie schmiedete Verse – op Platt, versteht sich: humorvoll, zugleich tiefgründig und oft mit einem Augenzwinkern zwischen den Zeilen. Für Marlies Wassermann, eine wasch- echte Gartenstädterin und Mundartdichterin aus Über- zeugung, musste es ihre Muttersprache sein, in der sie schrieb und vor allem sprach. Denn „Platt kalle häld die Seel jesonk“ und wer „Platt kalle“ kann, ist um eine Spra- che reicher, lautete ihr Fazit. Mundart, für Marlies Wassermann, die im Januar im Alter von 80 Jahren verstarb, war sie Muttersprache im ei- gentlichen Sinne: „Sie ist nicht anders erlernbar als durch das Elternhaus und durch die heimatliche Umgebung.“ Gefühle, so die Überzeugung der über Wevelinghoven hinaus bekann- ten und beliebten Dichterin, lassen sich in Platt empfindsamer ausdrücken, werden nicht so nachdenklich empfunden. Davon zeugen auch ihre zahlreichen, präzisen Verse. „De ieschde Sonnestrohle, die donnt doch jeddem jod. Se jäeve stell de Mingsche werm neue Läevensmot“: 1980 erschien ihr Buch „Sonnestrohle“ (Sonnenstrahlen). Ganz alltägliche Dinge setzte Marlies Wassermann darin in Szene. Meist humorvoll, manchmal nachdenklich schilderte sie die Besonderheiten des Rheinländers und vor allem die ihrer Heimat, dem Grevenbroicher Land. 1935, gleich neben dem alten Meier’schen Bauernhof an der damaligen Erftstra- ße (heute „Am Wehr“), geboren, „wurde Mundart in jedem Haus gesprochen, das hat mich geprägt“, erinnerte sich die stets fröhliche Wevelinghovenerin zuletzt anlässlich ihres 80. Geburtstags. Um die Heimatsprache und deren Eigenarten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, schrieb Marlies Wassermann in den 1970er-Jahren auf ihrer Schreibmaschine Gedichte „op Platt“. Die meisten Verse entstanden morgens am Frühstück- stisch, wenn ihr Mann zur Arbeit und ihre Kinder zur Schule waren. Zunächst waren es ausschließlich Kindheitserinne- rungen, später setzte Marlies Wassermann insbesondere ihrer Umgebung – nach Streifzügen durch die Wälder – ein Mundart-Denkmal. Das „Jeisderhüsje“ auf der Motte, einsti- ger Stammsitz der Herren von Wevelinghoven, ließ die Dich- terin amüsant und zugleich nachsinnend selber sprechen. Auch die „Schieveschötze“ schilderte sie treffsicher im aller- besten Wivekover Platt: „Schwatz de Box un jrön d’r Rock, op Jewehre all null Bock. Zackesch, unmöt freschemMoot, jröße fröndlech sej möm Hoot.“ Sprachliche Kunstwerke „möt vell Hätzblood“, geschmiedet in ihrer Muttersprache: Marlies Wassermann traf immer den Nagel „op de Kopp“.
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